Barren, Rollkur & Co. – eine rechtliche Betrachtung

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Anfang des Jahres 2022 schlug die Berichterstattung eines großen TV-Senders über einen namhaften Springreiter, welcher unerlaubte Trainingsmethoden im Rahmen seines Springtrainings nutzen soll, hohe Wellen. Doch nicht erst seit diesem Ereignis ist der Reitsport in Verruf geraten – insbesondere verschiedene Trainings- und Ausbildungsmethoden wie das „Barren“, „Rollkur“/“LDR“ und „Touchieren“ bescheren dem Reitsport in der Öffentlichkeit einen schweren Stand. Vor allem der internationale Turniersport genießt den Ruf, nicht tiergerecht zu sein, da die Profitgier von Haltern, Sponsoren und Reitern das Wohl der Tiere überlagere. Gestaltet sich die Verwendung von „Barren“, „Rollkur“/“LDR“ usw. nicht sogar als rechtlich relevanter Verstoß gegen das (Tierschutz)Gesetz?


„Rollkur“/“LDR“, „Barren“ und „Touchieren“

Im Springsport müssen Pferde im Rahmen (internationaler) Turniere einen Parcours aus Hindernissen möglichst schnell und ohne das Verursachen von Fehlern (z.B. durch das Herabwerfen einer Stange oder einem sog. Verweigern vor Hindernissen) überwinden. Das optimale Überwinden eines Hindernisses ist das Ergebnis jahrelangen Trainings. Hierbei soll das Tier insbesondere erlernen, die Beine soweit anzuheben, dass keine Stangen vom Hindernis herabfallen. Ähnlich eines menschlichen Leistungssportlers dauert die Ausbildung eines Tieres lange Zeit. In dieser Zeit fallen Kosten an, welche sich bspw. (noch) nicht durch den Einsatz des Pferdes auf einem Turnier und den damit verbundenen Vorteilen, wie z.B. eines hohen Gewinns oder der Reputationssteigerung und der damit einhergehenden Bedeutung in der Zucht, amortisiert. Infolgedessen werden in dieser Situation nach Trainingsmethoden gesucht, welche dazu führen, das Tier schneller bereit für Turniere zu machen bzw. im Allgemeinen dazu dienen, das Tier zu animieren, die Beine höher zu heben. Eine der Methoden, um das Tier zu Letzterem zu bewegen, ist das sogenannte „Barren“. Hierbei gibt es verschiedene Varianten. Im Grundsatz ist allen Varianten gemein, dass dem Tier während des Überwindens des Hindernisses mit einer Stange gegen die Beine geschlagen wird, sodass das Pferd mit dem Herabwerfen der Stange eine negative, schmerzhafte Erfahrung verknüpft. In der Folge wird das Pferd versuchen, diese Schmerzen zu vermeiden, sodass es höher springt und die Beine verstärkt an den Körper zieht, um dem Schmerz zu entgehen. Durch das bewusste Zufügen von Schmerzen wird so erreicht, dass das Tier höher springt. „Aktives Barren“ beinhaltet dabei das „[...] Anheben der obersten Hindernisstange oder das Anschlagen mit einem Gegenstand während des Sprungs [...]“, während passives Barren die Nutzung von verschiedenen, vom Pferd nicht zu sehenden Gegenständen vor, hinter oder über der höchsten Hindernisstange beinhaltet [Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Leitlinien Tierschutz im Pferdesport zu Umgang und Nutzung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten, S. 7, abrufbar unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/tierschutz-pferdesport.pdf?__blob=publicationFile&v=3%C2%A0].

Abzugrenzen vom „Barren“ ist das sogenannte „Touchieren“ – zumeist sind die Grenzen allerdings fließend und eine Unterscheidung kaum mehr vorhanden. Das Touchieren stellt viel mehr, wie der Name schon impliziert, ein Berühren der Pferdebeine dar, gleichermaßen um das Tier zu einem höheren Springen zu animieren – durch das Sensibilisieren des Tieres.

Vor allem im Dressursport – jedoch nicht ausschließlich – spielt die „Rollkur“/“Hyperflexion“ bzw. „LDR“ (Long, Deep, Round) eine große Rolle. Insbesondere im Zusammenhang mit Totilas, dem Ausnahmepferd, fielen die Begriffe in den Medien häufig. Die sogenannte Hyperflexion, stellt „die Überbeugung des Genicks oder des Halses als Folge des Reitens oder Longierens mit sehr enger und/oder in Richtung der Vorderbrust eingerollter Kopf-Hals-Position des Pferdes (sog. Rollkur)“ dar [Tierschutz im Pferdesport, Leitlinien zu Umgang mit und Nutzung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten, herausgegeben vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft; abrufbar unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/tierschutz-pferdesport.pdf?__blob=publicationFile&v=3%C2%A0] und dient der (angeblichen) Verbesserung der Beweglichkeit des Tieres. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen jedoch genau das Gegenteil – so führen die genannten Trainingsmethoden zu massiven Schmerzen aufgrund der Überdehnung des Genicks bzw. zu Atemnot und Stress [vgl. hierzu das Grundsatzpapier der Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften (ISES) zum Thema Rollkur/Hyperflexion, abrufbar unter: https://equitationscience.com/equitation/position-statement-on-alterations-of-the-horses-head-and-neck-posture-in-equitation].

Signifikat für die angeführten Reitmethoden ist insbesondere, dass sie der klassischen Reitlehre widersprechen, welche die Ausbildung zum Wohle des Tieres sowie der Gesunderhaltung des Tieres maßgeblich in den Vordergrund stellt.


Die rechtliche Bewertung der genannten Trainingsmethoden

Ausgangspunkt für die rechtliche Bewertung der genannten Trainingsmethoden ist das Tierschutzgesetz, unabhängig davon, ob es sich um ein Sport- oder ein reines Freizeitpferd handelt. Im Grundsatz ist die Verwendung von Rollkur, Barren, usw. nicht ausdrücklich durch das Gesetz ausgeschlossen. Maßgeblich sind vor allem §§ 3, 17, 18 TierSchG. § 3 Nr. 1 TierSchG verbietet, einem Tier grundsätzlich Leistungen abzuverlangen, denen es nicht gewachsen ist oder welche seine Kräfte übersteigen; Nr. 1b verbietet die Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen, sofern hiermit Schmerzen verbunden sind; Nr. 5 verbietet zudem ausdrücklich ein Tier auszubilden oder zu trainieren, sofern damit erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind. § 17 TierSchG bestimmt, dass mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier a) aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder b) länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.

„Rohheit liegt danach vor, wenn das Zufügen der Schmerzen oder Leiden einer gefühllosen (fremde Leiden missachtenden) Gesinnung entspringt“ [MüKoStGB/Pfohl, 4. Aufl. 2022, TierSchG § 17 Rn. 77]. § 17 Nr. 2b) spricht demgegenüber insbesondere von Schmerzen, welche länger anhalten. Dies ist dann der Fall, wenn „[...] Schmerzen oder Leiden [vorliegen], die eine gewisse Zeitspanne andauern und eine von der Dauer her nur kurzfristige Störung des Wohlbefindens als nicht strafwürdig ausschließen“ [MüKoStGB/Pfohl, 4. Aufl. 2022, TierSchG § 17 Rn. 83; OLG Düsseldorf NStZ 1994, 43]. Ob dieses zeitliche Element auch bei § 17 Nr. 2a) maßgeblich ist, ist umstritten.

Ergänzend hierzu sind die Leitlinien des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zu berücksichtigen. Diese dienen insbesondere den Behörden und Gerichten (und auch den Haltern) eine Hilfestellung bei der Auslegung der Regelungen des Tierschutzgesetzes – allerdings sind sie nicht rechtsverbindlich, d.h. nicht zwingend, sodass sie lediglich eine Orientierung bieten sollen. Maßgeblich für die Ausbildungs- bzw. Trainingsmethoden sind hierbei vor allem die „Leitlinien Tierschutz im Pferdesport zu Umgang und Nutzung von Pferden unter Tierschutzgesichtspunkten“. Die Leitlinien legen fest, dass Hilfen als Verständigungsmittel zwischen Tier und Mensch anzusehen sind und dazu dienen, die gewünschte Reaktion auszulösen. Die Hilfegebung hat dabei verständlich, ruhig und konsequent zu erfolgen und darf vor allem nicht zu Schmerzen und Leiden auf Seiten des Tiers führen [S. 16, Leitlinien BEML].

Ausweislich der angeführten Richtlinien des BEML ist Barren eine tierschutzwidrige Methode, welche zu starken Schmerzen beim Pferd führt. Unter Berücksichtigung der fehlenden Rechtsverbindlichkeit, jedoch bei Zusammenspiel mit §§ 3, 17, 18 TierSchG, kann bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz (Straftat/Ordnungswidrigkeit) bejaht werden.

Abschnitt 6.1.3 der Richtlinien des BEML befasst sich ausdrücklich mit den (Zügel)hilfen. Diese dürfen nicht unsachgemäß eingesetzt werden oder Schmerzen bzw. Leiden beim Tier hervorrufen. „Maßnahmen, die zu einer Hyperflexion des Genicks oder Halses (sogenannte Rollkur) führen, sind tierschutzwidrig, da sie zu erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden bei den betroffenen Pferden führen“ [Richtlinien des BMEL, S. 26 f.]. Sofern einem Pferd durch eine Hyperflexion des Halses erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, „[...] so ist dies nicht mit § 3 Nummer 1b des Tierschutzgesetzes vereinbar. Der Grad, die Dauer und die Stärke der Hyperflexion mit den resultierenden gesundheitlichen Folgen für das Pferd sind im konkreten Einzelfall zu prüfen. Ob im jeweiligen Einzelfall ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorliegt, haben die für den Vollzug des Gesetzes zuständigen Behörden der Länder zu beurteilen“ [BT-Drs. 18/10791, S. 3]. Damit ist zur Beurteilung, ob eine (straf-/ordnungsrechtlich) relevante Rollkur vorliegt, stets der Einzelfall zu betrachten. Zwar liegt durch die Richtlinien ein (eigentlich) tierschutzwidriges Verhalten vor, aufgrund der fehlenden Rechtsverbindlichkeit sind jedoch erneut die Vorschriften des Tierschutzgesetzes zu berücksichtigen. Im Grundsatz liegt damit nur ein relevantes, sanktionierbares Verhalten vor, wenn dem Pferd (nachweislich) Schmerzen zugefügt wurden und dies (nachweislich) (ggf.) über einen längeren Zeitraum.

Die „Richtlinien für Reiten und Fahren“ stellten das Regelwerk der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) dar; nach der sogenannten „Barr-Affäre“ in den neunziger Jahren, wurde das „Barren“ verboten und lediglich das „Touchieren“ als noch zulässig angesehen. Erst dieses Jahr fiel die Entscheidung der FN unter dem Druck der Öffentlichkeit, auch das Touchieren zu verbieten. Bei Verstoß gegen die Regeln kann es beispielsweise zu Geldbußen oder auch dem Ausschluss an Turnieren kommen – diese haben indes keinen unmittelbaren strafrechtlichen oder ordnungsrechtlichen Charakter. Im Zusammenspiel mit dem TierSchG kann darüber hinaus zu weiteren Strafen kommen.

Seitens der Internationalen Reiterlichen Vereinigung (FEI) wurde wohl unter Umgehung des Begriffs der „Rollkur“ und Einführung der sogenannten „LDR-Regel“ die Möglichkeit für Reiter geschaffen, das Pferd erlaubterweise in der fixierten Kopf-Hals-Position (nicht jedoch in Rollkur) auf den Abreiteplätzen von Turnieren zu reiten – bei Überschreitung dieser Vorgabe konnte es zu einer Verwarnung durch den aufsichtführenden Steward kommen. Die Regel wurde mittlerweile wieder aufgehoben.

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass eine pauschale Strafbarkeit der genannten Trainingsmethoden grundsätzlich nicht einfach angenommen werden kann. Vielmehr bedarf es der Beurteilung des konkreten Einzelfalls, um sodann im Zusammenspiel der verschiedenen Leitlinien und maßgeblichen Normen im TierSchG eine Strafbarkeit beziehungsweise Ordnungswidrigkeit konstruieren zu können.


AG Aachen, Urteil vom 30.12.2021, Az.: 454 Cs 106/21

Ende 2021 beschäftigte der Fall eines bekannten Dressurreiters, welchem von einer großen Tierschutzorganisation vorgeworfen wurde, sein Pferd (zu lange) in Rollkur geritten zu haben, das AG Aachen. Im Konkreten warf die Tierschutzorganisation ihm vor, sein Dressurpferd unter Verwendung von Rollkur während der Europameisterschaft geritten zu haben und dabei auch länger andauernde Schmerzen und Leiden, billigend in Kauf genommen zu haben. Infolgedessen stand eine Verletzung von § 17 Nr. 2b) TierSchG im Raum. Das Gericht entschied, den Angeklagten freizusprechen, da er sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum nach § 17 S. 1 StGB befunden habe. So könne dem Beklagten die Einsicht zur Tatzeit, Unrecht getan zu haben, nicht nachgewiesen werden. Insbesondere dürfe der Angeklagte sich darauf verlassen, kein Unrecht zu verwirklichen, wenn er nicht gegen das Regelwerk der FEI verstoße. Dies bescheinigte einer der Zeugen. Bei Ausübung des Sports würde kein Unrecht verwirklicht werden, wenn sich an die gängigen und allgemein anerkannten Regeln des Verbands gehalten werde. Ein solches Vertrauen in das Regelwerk darf nur dann nicht an den Tag gelegt werden, wenn offensichtlich ein Verstoß gegen das Strafrecht vorläge. Dies sei bei den Regelungen der FEI nicht der Fall, da diese [...] großen Wert auf eine schonende und faire Behandlung der Pferde lege.“ Insbesondere sei durch eine Arbeitsgruppe der FEI die genaue Unterscheidung zwischen „LDR“ (ohne Aggressivität) und „Hyperflexion“ (mit Aggressivität) möglich gemacht. Der Angeklagte habe keine Aggressivität an den Tag gelegt. Das Regelwerk der FEI sei nicht offensichtlich unzureichend.

Das Urteil zeigt deutlich auf, dass sich die Strafbarkeit nach dem TierSchG und die Beachtung von Leitlinien sowie der verschiedenen Regelwerke einander bedingen und zusammen Berücksichtigung erfahren müssen. Eine zu dem Zeitpunkt feststehende Tierschutzwidrigkeit von Rollkur, Hyperflexion etc. seitens des Regelwerks der FEI hätte grundsätzlich Möglichkeiten für eine Verurteilung geschaffen.

Insgesamt gesehen bedarf es der genauen Betrachtung des Einzelfalls sowie der Beachtung der geltenden Regelungen im vorliegenden Zeitpunkt, um bestimmen zu können, ob ein Verstoß gegen das TierSchG vorliegt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass nicht nur Sportpferdereiter sich dem Tierwohl zu wider verhalten können –auch im Bereich der Freizeitreiter und hinter „verschlossener Tür“ kommt es zu fragwürdigem Verhalten gegenüber dem Tier. An dieser Stelle sollte der Profisport eine Vorbildfunktion einnehmen, Stewards auf Turnieren frevelhaftes Verhalten auf der Stelle sanktionieren und die Verbände eindeutig tierschädigende Reitweisen/-methoden verbieten, sodass sich die Frage nach dem Verstoß gegen das TierSchG schon aufgrund der tierwohlorientierten Vorgaben der Verbände gar nicht stellen muss.

Sofern der Vorwurf eines gegen das TierSchG gerichtete Verhalten im Raum steht bzw. gegen entsprechende Leitlinien des BMEL sollte rechtzeitig anwaltlicher Rat eingeholt werden – insbesondere um empfindliche Geldstrafen oder gar ein Tierhaltungsverbot zu vermeiden.





Foto(s): Jana Christina Hartmann

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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