Grober Undank - enterben und Pflichtteil entziehen. Geht das!?

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Die Frage, ob und unter welchen Bedingungen es möglich ist, einen gesetzlichen Erben wegen groben Undanks zu enterben und ihm den Pflichtteil zu entziehen, ist von erheblicher rechtlicher Relevanz. Das deutsche Erbrecht sieht strenge Regelungen vor, die den Pflichtteil schützen sollen. Dieser Artikel untersucht die rechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen und Grenzen der Enterbung und des Pflichtteilsentzugs wegen groben Undanks gemäß dem deutschen Erbrecht.

1. Rechtliche Grundlagen des Pflichtteils

Im deutschen Erbrecht garantiert der Pflichtteil bestimmten nahen Angehörigen des Erblassers, namentlich den Abkömmlingen, Eltern und dem Ehegatten, einen Mindestanteil am Nachlass. Dieser Pflichtteilsanspruch ist in §§ 2303 ff. BGB geregelt und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Der Pflichtteil kann grundsätzlich nicht durch testamentarische Anordnungen ausgeschlossen werden.

2. Enterbung und Pflichtteilsentzug

Die Enterbung an sich, also die vollständige oder teilweise Entziehung der Erbenstellung, kann durch ein Testament oder einen Erbvertrag erfolgen. Der Entzug des Pflichtteils hingegen ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Nach § 2333 BGB kann der Erblasser einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil entziehen, wenn dieser sich einer schweren Verfehlung gegenüber dem Erblasser oder dessen Angehörigen schuldig gemacht hat. Eine solche Verfehlung kann unter anderem in Form von grobem Undank vorliegen.

3. Definition und Beispiele von grobem Undank

Grob undankbares Verhalten umfasst schwerwiegende Verfehlungen, die das natürliche Pflichtgefühl eines Kindes gegenüber den Eltern oder eines Ehegatten gegenüber dem anderen grob verletzen. Beispiele für groben Undank sind:

  • Schwere Beleidigungen
  • Tätliche Angriffe
  • Massive Vernachlässigung von Unterhaltspflichten
  • Straftaten gegen den Erblasser

Allerdings muss das Verhalten eine erhebliche Intensität aufweisen, um als grober Undank qualifiziert zu werden.

4. Rechtsprechung und Anforderungen

Die Rechtsprechung hat strenge Maßstäbe an die Beurteilung von grobem Undank angelegt. Es muss sich um ein schweres Fehlverhalten handeln, das das Vertrauensverhältnis zwischen Erblasser und Pflichtteilsberechtigtem nachhaltig zerstört. Einzelne Vorkommnisse, die zwar moralisch verwerflich sind, aber nicht die erforderliche Schwere aufweisen, reichen nicht aus. Das OLG München entschied beispielsweise, dass eine langjährige Missachtung der Eltern durch den Sohn allein nicht ausreicht, um den Pflichtteil zu entziehen (OLG München, Beschluss vom 18. März 2013 – 31 Wx 55/13).

5. Nachweispflicht und Dokumentation

Der Erblasser trägt die Beweislast für den Pflichtteilsentzug. Es ist daher ratsam, groben Undank sorgfältig zu dokumentieren. Dies kann durch Zeugenaussagen, schriftliche Beweismittel oder sogar polizeiliche Berichte geschehen. Die Erbengemeinschaft oder der Testamentsvollstrecker muss im Streitfall vor Gericht den Pflichtteilsentzug beweisen können.

6. Formale Anforderungen und Anfechtbarkeit

Die Entziehung des Pflichtteils muss in einer notariellen Urkunde oder einem eigenhändigen Testament explizit begründet werden. Der Erblasser muss klar darlegen, welche Verfehlung vorliegt und warum diese den Pflichtteilsentzug rechtfertigt. Pflichtteilsberechtigte können den Entzug vor Gericht anfechten. Gelingt es dem Pflichtteilsberechtigten, den Nachweis des groben Undanks zu widerlegen oder als unzureichend darzustellen, bleibt der Pflichtteilsanspruch bestehen.

7. Fazit und Empfehlungen

Der Pflichtteilsentzug wegen groben Undanks ist im deutschen Erbrecht nur unter sehr strengen Voraussetzungen möglich. Es muss sich um eine besonders schwere Verfehlung handeln, die das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört. Der Erblasser muss die Verfehlung genau dokumentieren und den Entzug sorgfältig begründen. Aufgrund der strengen Anforderungen und der hohen Anfechtungswahrscheinlichkeit ist es empfehlenswert, sich vor der Testamentserstellung rechtlich beraten zu lassen.

Schlussfolgerung

Die Enterbung und der Entzug des Pflichtteils wegen groben Undanks sind rechtlich komplexe und oft umstrittene Maßnahmen. Sie erfordern eine sorgfältige Prüfung der Umstände und eine präzise Dokumentation der Verfehlungen. Erblasser sollten die rechtlichen Hürden und Risiken eines solchen Schritts kennen und sich bei der Planung ihres Testaments professionell unterstützen lassen, um sicherzustellen, dass ihre letztwilligen Verfügungen rechtswirksam und durchsetzbar sind.


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