„Nicht geringe Menge“ beim Handeltreiben mit Cannabis nach neuem Recht – Ein Überblick

  • 4 Minuten Lesezeit

Was ist der Hintergrund des Urteils?

Am 18. April 2024 hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine wegweisende Entscheidung zum neuen Konsumcannabisgesetz (KCanG) getroffen. Der Grenzwert der „nicht geringen Menge“ im Sinne von § 34 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 KCanG beträgt weiterhin 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für die strafrechtliche Praxis im Umgang mit Cannabis. Doch was steckt genau hinter dieser Entscheidung?

Worum ging es im konkreten Fall?

Das Landgericht hatte zwei Angeklagte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu je vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die Angeklagten arbeiteten als „Gärtner“ auf einer Indoor-Marihuanaplantage und waren sich darüber im Klaren, dass das Marihuana für den gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war. Auf die Revisionen der Angeklagten hin hat der BGH den Schuldspruch neu gefasst und das Urteil im Strafausspruch aufgehoben, aber den Grenzwert für die nicht geringe Menge auf 7,5 Gramm THC festgelegt.

Wie definiert der BGH die „nicht geringe Menge“?

Der BGH hat entschieden, dass die Grenze zur nicht geringen Menge weiterhin bei 7,5 Gramm THC liegt, trotz anderslautender Hinweise des Gesetzgebers, der einen höheren Grenzwert angestrebt hatte. Diese Entscheidung basiert auf der ständigen Rechtsprechung, wonach nicht auf die Gewichtsmenge des Cannabisprodukts, sondern auf die darin enthaltene Wirkstoffmenge abzustellen ist.

Warum hat der BGH den Grenzwert nicht erhöht?

Der BGH argumentierte, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zum KCanG keine klaren, tatsachenbasierten Informationen geliefert hat, die eine Erhöhung des Grenzwerts rechtfertigen würden. Zudem gibt es keine wissenschaftlich fundierten Prämissen, die eine neue Risikobewertung stützen könnten. Daher hielt der BGH an dem bisherigen Grenzwert fest, um Rechtsunsicherheit zu vermeiden.

Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Praxis?

Die Entscheidung des BGH hat erhebliche Auswirkungen auf die strafrechtliche Praxis. Da der Grenzwert für die nicht geringe Menge weiterhin bei 7,5 Gramm THC liegt, bleiben die bisherigen Strafzumessungen weitgehend bestehen. Dies bedeutet, dass Personen, die mit Mengen über diesem Grenzwert handeln, weiterhin mit schweren Strafen rechnen müssen.

Beispiel 1: Einzeltäter mit 10 Gramm THC

Ein Beispiel für die Anwendung dieses Urteils könnte ein Einzeltäter sein, der mit 10 Gramm THC handelt. Da der Grenzwert von 7,5 Gramm überschritten ist, würde dies als „nicht geringe Menge“ eingestuft werden und könnte zu einer Freiheitsstrafe führen, insbesondere wenn weitere erschwerende Umstände hinzukommen, wie etwa gewerbsmäßiges Handeln.

Beispiel 2: Anbau in einer Wohngemeinschaft

Eine weitere Anwendung könnte der Fall einer Wohngemeinschaft sein, in der mehrere Erwachsene jeweils drei Cannabispflanzen anbauen. Solange die Gesamtmenge an THC 7,5 Gramm nicht überschreitet, bleibt dies straflos. Sollte jedoch die Gesamtmenge überschritten werden, greift die verschärfte Strafandrohung.

Beispiel 3: Handel in der Nähe von Schulen

Ein besonders schwerer Fall wäre der Handel von Cannabis in der Nähe von Schulen. Selbst wenn die Menge unter 7,5 Gramm THC liegt, könnte die Nähe zu einer Schule oder zu Minderjährigen die Strafe verschärfen.

Welche weiteren Regelungen gibt es im neuen Konsumcannabisgesetz?

Neben der Festlegung des Grenzwerts für die nicht geringe Menge gibt es weitere wichtige Regelungen im KCanG. 

  • Erlaubter Besitz: Erwachsenen ist der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt. Am eigenen Wohnsitz sind sogar bis zu 50 Gramm und bis zu drei lebende Cannabispflanzen gestattet (§ 3 Abs. 1 und 2 KCanG).
  • Eigenanbau: Volljährige dürfen bis zu drei Cannabispflanzen für den Eigenbedarf anbauen. Diese müssen jedoch vor dem Zugriff durch Minderjährige geschützt werden (§ 9 Abs. 2 KCanG).
  • Gemeinschaftlicher Anbau: Der gemeinschaftliche Anbau ist nur im Rahmen von Anbauvereinigungen erlaubt. Diese müssen eine Vielzahl von Vorgaben erfüllen und dürfen bis zu 500 Mitglieder haben (§§ 11 ff. KCanG).
  • Konsumverbote: Der Konsum von Cannabis ist in der unmittelbaren Gegenwart von Minderjährigen sowie in bestimmten öffentlichen Bereichen verboten, um den Jugendschutz zu gewährleisten (§ 5 KCanG).
  • Strafvorschriften: Verstöße gegen die zentralen Verbote des KCanG sind strafbar. Die Strafen reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen, abhängig von der Schwere des Verstoßes (§ 34 KCanG).

Welche Handlungsanweisungen gibt es für Betroffene?

Für Betroffene des neuen KCanG gibt es klare Handlungsanweisungen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden:

  1. Einhalten der erlaubten Mengen: Halten Sie sich an die erlaubten Besitzmengen von 25 Gramm Cannabis bzw. 50 Gramm am Wohnsitz.
  2. Schutz vor Minderjährigen: Stellen Sie sicher, dass Cannabispflanzen und Produkte vor dem Zugriff durch Minderjährige geschützt sind.
  3. Vermeidung von Konsumverboten: Konsumieren Sie Cannabis nicht in der Nähe von Minderjährigen oder in den festgelegten Schutzzonen.
  4. Registrierung bei Anbauvereinigungen: Wenn Sie gemeinschaftlichen Anbau betreiben möchten, registrieren Sie sich bei einer Anbauvereinigung und halten Sie sich an die gesetzlichen Vorgaben.
  5. Rechtliche Beratung: Bei Unsicherheiten oder rechtlichen Problemen sollten Sie umgehend rechtlichen Rat einholen.

Fazit

Das neue Konsumcannabisgesetz bringt erhebliche Änderungen mit sich, die sowohl den rechtlichen Umgang mit Cannabis als auch die Strafverfolgung betreffen. Die Entscheidung des BGH, den Grenzwert für die nicht geringe Menge weiterhin bei 7,5 Gramm THC zu belassen, sorgt für Klarheit und Kontinuität in der Rechtsanwendung. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die Praxis weiterentwickeln wird und ob der Gesetzgeber möglicherweise nachbessern wird.

Ihr Rechtsanwalt und Strafverteidiger

Christian Keßler

Besuchen Sie meine Webseite.

(Diese Informationen erfolgen nicht im Rahmen eines konkreten Vertragsverhältnisses. Der Verfasser übernimmt keinerlei Gewähr für die Aktualität, Korrektheit, Vollständigkeit oder Qualität der bereitgestellten Informationen. Haftungsansprüche gegen den Verfasser, welche sich auf Schäden materieller oder ideeller Art beziehen, die durch die Nutzung der dargebotenen Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich im weitest zulässigen Rahmen ausgeschlossen.)


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Christian Keßler

Beiträge zum Thema